Zeitturm — 1406
Der Zeitturm gehört zur Stadtbefestigung Luzerns. Die Mauer und ihre neun Türmen (Nölliturm, Männliturm, Luegisland, Wachtturm, Zytturm, Schirmerturm, Pulverturm, Allenwindenturm und Dächliturm) entstanden zwischen dem 14. und 16. Jh. und dienten als Zeichen für die Machtentfaltung von Stadt und Republik Luzern.
Der Name Musegg erscheint 1352 erstmals in den Urkunden. Der Name leitete sich vom mittelhochdeutschen Wort musen ab. Es bedeutete soviel wie spähen (: Ausschau halten). Mauer, Türme und Gräben bilden den zweiten Befestigungsring der Stadt Luzern. Die neun Türme stehen im Norden vor der Mauer. Als im 19. Jh. die mittelalterlichen Befestigungen auf dem linken Ufer der Reuss abgerissen wurden, blieben sie mit Ausnahme des Äusseren Weggistores als Sehenswürdigkeit der Leuchtenstadt. Mit über 800 Metern länge ist die Museggmauer das grösste mittelalterliche Befestigungswerk der Schweiz.
Der Zeitturm wurde im 15. Jh. gebaut. Das älteste Holz der Plattformen im Turm stammt aus dem Jahr 1403. Der Turm erhielt 1513 das Walmdach und die heutige Gestalt. Der Zeitturm ist damit älter als der Zytglogge-Turm in Bern. Das Fresko (1596) an seiner Südfassade zeigt zwei Riesen. Sie stützen das Zifferblatt der Uhr.
Der Zeitturm diente als einziger der Türme nicht der Verteidigung. Die Uhr im Zeitturm zeigte den Leuten in der Stadt und den Schiffsleuten auf dem See die genaue Uhrzeit an, mit einem grossen Zifferblatt und einer Glocke. Noch heute kündigt der Glockenschlag der Zeitturm-Uhr die Uhrzeit eine Minute vor den Kirchenuhren an (Erstschlagsrecht).
1579 schlug der Blitz in den Zeitturm ein, am 16. August 1583 ein zweites Mal in die Glocke, das Uhrwerk und die oberste Plattform. Rauch stieg auf, aber Turm und Uhrwerk blieben unbeschädigt. Im 19. und zu Beginn des 20. Jh. wurde der Zeitturm als Holzlager genutzt. Seit 1978 steht er der Öffentlichkeit als Aussichtspunkt offen.
Zehn/Neun historische Turmuhren sind heute im Zeitturm versammelt und ausgestellt. Der Luzerner Stadtuhrmacher Jörg Spöring hat sie während seines Lebens gesammelt. Fünf / Vier Turmuhren sind in Betrieb. Die Ausstellung informiert über ihre Geschichte und Konstruktion – mit den Turmuhren begann im Mittelalter die Entwicklung mechanischer Uhren.
Glocke
1513 wurde an der Südfassade ein Maueröffnung für eine Glocke errichtet. Ein Teil der Glocke ragt über die Öffnung hinaus, weil die Eichenbalken des Glockenstuhls auf der Aussenmauer aufliegen. Ein kleines Vordach über der Maueröffnung schützt Glocke und Hammer vor Regen und Schnee. Die erste Glocke im Zeitturm stammte ursprünglich von der Sankt-Peters-Kapelle (früher: Sankt-Peters-Kirche) am Kapellplatz. Sie hatte einen besonders schönen, hellen Klang und trug die lateinische Inschrift: „Anno Domini 1381 fusa est haec campana, sancte Leodegari ora pro nobis” (Im Jahre des Herrn 1381 wurde diese Glocke gegossen, Heiliger Leodegar, bitt’ für uns). 1788 wurde diese Glocke in die Hofkirche (Stiftskirche St. Leodegar im Hofbezirk) versetzt. Der Zeitturm erhielt im gleichen Jahr eine neue Glocke. Sie ist grösser und schwerer als die erste Glocke. Ihr Durchmesser beträgt 127 cm; sie wiegt über eine Tonne. Die Inschrift auf ihrer Aussenseite zeigt, neben einer Kreuzigungsszene und dem Luzerner Wappe, die Inschrift: „Herr Nicolaus Dürler derzeit Bauherr in Luzern | Heinrich Sutermeister goss mich anno 1788”.
Die Glocke ertönt eine Minute vor den Kirchenglocken in Luzern. Der Stadtrat von Luzern hatte 1385 das sog. Erstschlagsrecht für die öffentliche Uhr angeordnet. Das Recht, die Stunde als Erste zu schlagen, übertrug sich von der Halderuhr im Graggenturm auf die Luteruhr im Zeitturm. Das Erstschlagsrecht ist ein Zeichen für das städtische Selbstbewusstsein: Wer die Zeit in der eigenen Hand hält, hat auch Macht über den Raum und das Leben.
Fassadenmalerei
Stadtschreiber Diebold Schilling zeigte 1511 in seiner Chronik die erste Abbildung der Fassadenmalerei. Sie zeigte zwei rote Männer mit Glockenhämmern auf beiden Seiten der Maueröffnung und das Zifferblatt mit zwei Riesen (: wilde Männer). Die Riesen waren das Sinnbild für die Stärke und Kraft der Luzerner Soldaten und Söldner.1547 wurde der Turm in Freskotechnik neu bemalt. 1596 erneuerte Joseph Moser das Fresko. 1939 entwarf Karl F. Schobinger (1879–1951) das heutige Fassadenbild. Die Riesen halten das Luzerner Wappen.
Schobinger war in Genf ein Schüler Ferdinand Hodlers; von 1911 bis 1914 unterrichtete er Malerei an der Kunstakademie Breslau (heute: Wroclaw/PL).